Alles unter Kontrolle!

Auf dem Weg zur Überwachungsgesellschaft?
Mit Dietmar Kammerer, Herfried Münkler, Peter Pilz, Beate Rössler, Michael Sika und Peer Stolle

Symposion
Freitag, 28. November 2008, 10:00 Uhr
Theater am Saumarkt

E-Mail oder Internet, Handy oder GPS, die digitale Revolution ermöglicht uns, die Grenzen des Raumes zu überwinden. Doch den Vorteilen raumüberwindender Technik stehen Nachteile gegenüber, die wir nur allzuleicht übersehen: denn E-Mail-Verkehr und Internetverkehr können ohne Probleme überwacht, Handys geortet werden. Und mittels GPS können wir zwar weltweit unseren jeweiligen Standort bestimmen, aber wir können auch selbst überall ausgeforscht werden.

Je engmaschiger das Informations- und Kommunikationsnetz wird, umso genauer lassen sich unsere Bewegungen im Netz verfolgen. Doch auch Technikverweigerung schützt uns nicht. Schon jetzt  ist die Dichte der staatlichen und privaten Videoüberwachungskameras in London so hoch, dass der Weg des Bürgers durch die City mit durchschnittlich 300 Kameraaufnahmen nahezu lückenlos rekonstruiert werden kann. Nicht ein Großer Bruder, viele große und kleine Brüder und Schwestern überwachen uns.

Verständlich, dass angesichts der technischen Möglichkeiten auch die Begehrlichkeiten des Staates, immer mehr über seine Bürger wissen zu wollen, wachsen. Ob großer Lauschangriff, Bundestrojaner oder Vorratsdatenspeicherung, im Namen der Sicherheit soll alles erlaubt sein.

Doch was bleibt dann noch vom Recht auf Privatheit. Und was wird aus den Bürger- und Freiheitsrechten? 
Fragen wie diesen widmet sich das Symposion „Alles unter Kontrolle! Auf dem Weg zur Überwachungsgesellschaft?“ mit Vorträgen, Diskussionen, einem Workshop, Filmen und einer Ausstellung.

AUSSTELLUNG: GLOBE - Fenster ohne Vorhänge
Eine fotografische Installation von ARNO GISINGER

Inspiriert von den Thesen des französischen Philosophen Michel Foucault entwickelte Arno Gisinger für das Feldkircher Theater am Saumarkt und seine Veranstaltungsreihe eine fotografische Installation zum Thema Blick und Kontrolle.
Arno Gisinger, Studium der Fotografie an der Ecole Nationale Supérieure de la Photographie in Arles (Frankreich), Studium der Geschichte und Germanistik an der Universität Innsbruck, lebt und arbeitet als freischaffender Fotokünstler, Autor und Ausstellungsmacher in Paris. Er unterrichtet an der Universität Paris 8 und an der École des Beaux-arts d'Épinal.
http://www.arnogisinger.com/

WORKSHOP: Dietmar Kammerer
Freitag, 28. Nov. 2008, 10.00 Uhr, Theater am Saumarkt

Datenschutz in der Praxis: Welche Rechte habe ich als BürgerIn bezüglich
meiner Privatsphäre, meiner Daten? Welche Möglichkeiten habe ich, meine 
Privatsphäre online zu schützen? Auf was sollte ich achten, wenn ich 
persönliche Daten von mir preisgebe? Von Anonymisierungstools, PGP und 
Vorratsdatenspeicherung.
(begrenzte Teilnehmerzahl, nur nach Voranmeldung)

FILM: Dariusz Kowalski (Krzeczek), Optical Vacuum, A 2008, 55 Min.
Freitag, 28. Nov. 2008, 18.00 Uhr, Theater am Saumarkt

„Nirgendwo wird die Rede vom "panoptischen Zeitalter", von einem Auge, das alles erfasst und selbst unfassbar bleibt, deutlicher, als in eben dem Medium, das Allgegenwart und Flüchtigkeit im globalen Maßstab umgesetzt hat: das Internet. Im Netz wird das bisherige Paradigma unserer bildgebenden Apparate hinfällig: Keine singuläre Zentralperspektive mehr, sondern Myriaden von Blickwinkeln, übertragen aus Webcams, die pausenlos Bilder in den digitalen Datenstrom pumpen. So ist das "Vakuum" im Titel von Dariusz Kowalskis 55-minütigen filmischen Essay keine Leere, sondern ein mächtiger Generator, eine unablässige Verdoppelung der Welt ins Bild“. Dietmar Kammerer

Dietmar Kammerer: Bilder der Überwachung, Vortrag
Freitag, 28. Nov. 2008, 19.30 Uhr Theater am Saumarkt

Videoüberwachung produziert Bilder, in Kinofilmen, in der Werbung oder
in der Popkultur werden die Kameras und ihre Bediener aber auch selbst
zum Bild. Anhand ausgewählter "Bilder der Überwachung" erläutert der
Berliner Kulturwissenschaftler und Filmkritiker Dietmar Kammerer, wie
 Orwells Szenario des allmächtigen Großen Bruders angesichts
technologischer Fortschritte und kultureller Entwicklungen im 21.
Jahrhundert neu gedacht werden muss.

Beate Rössler: Der Wert des Privaten, Vortrag
Freitag, 28. Nov. 2008, 20.30 Uhr Theater am Saumarkt

In den letzten Jahrzehnten und vor allem Jahren haben sich die Möglichkeiten, Informationen aller Art über Personen zu sammeln und aufzubewahren bekanntlich dramatisch vergrößert. Dabei geht es um Daten und Informationen ganz verschiedener Art. Doch auch die Möglichkeiten, Informationen selbst und freiwillig über sich frei zu geben (z.B. in facebook etc) haben sich dramatisch vergrößert und sind für viele gleichermaßen attraktiv. Die Amsterdamer Philosophin Beate Rössler geht der Frage nach, warum es notwendig bleibt, Freiräume des Privaten zu schützen - also etwas "verbergen" zu wollen - und was sich in unserem Selbstverständnis und in unserer Gesellschaft ändert, wenn uns solche Freiräume nicht mehr zur Verfügung stehen.


Anschliessend Diskussion
Moderation: Peter Huemer




FILM: Manu Luksch, Faceless, A 2007, 50 Min.
Samstag, 29. November, 17.00 Uhr Theater am Saumarkt

"In Faceless wird (...) eine Science-Fiction-Geschichte ausgebreitet, die in ihrer, durch das Überwachungsmaterial bedingten Single-Frame-Ästhetik an Chris Markers Geschichte-machenden Film-Comic La Jetée (1962) denken lässt. Luksch selbst hat sich in London an diversen Orten vor CCTV-Kameras produziert und die Bilder später auf bürokratischem Weg angefordert, wobei sie eben nicht in der Reihenfolge ihres Zustandekommens auch in Österreich eingetroffen sind und die Geschichte somit vom Big Brother umgeschrieben wurde. Faceless ist jedenfalls eine elektrisierend instrumentierte Reise durch die Hässlichkeit dieses Materials, zugleich die Ausformulierung eines neuen Typus des Filmhelden, der geschichtslosen Heroin nämlich, deren schlussendliche Sinnhaftig- oder Sinnlosigkeit von einem Apparat bestimmt wird." (Markus Keuschnigg, fm4)

Peer Stolle: Sicherheit durch Verunsicherung?
, Vortrag
Zu den aktuellen Bedingungen der Politik der Inneren Sicherheit
Samstag, 29. November, 18:30 Uhr Theater am Saumarkt

Wenn von gewandelten Sicherheitsbedürfnissen und der Notwendigkeit neuer Sicherheitsstrategien die Rede ist, werden diese zumeist mit einer veränderten Sicherheitslage begründet. Der Internationale Terrorismus, die zunehmende Jugendkriminalität oder das grenzüberschreitende Agieren von kriminellen Organisationen würden die Bevölkerung verunsichern und neue Herausforderungen für die Sicherheitsbehörden darstellen. Dem könne nur durch die Entwicklung einer neuen Sicherheitsarchitektur und einem Einsatz moderner und immer weiter reichender Maßnahmen der Kriminalitätskontrolle und Gefahrenabwehr begegnet werden. Im Vortrag soll dargestellt werden, dass diese Entwicklung nicht zu mehr Sicherheit, sondern im Gegenteil zu einer Steigerung gefühlter Verunsicherung wie auch tatsächlicher Bedrohung führt.


Herfried Münkler, Berlin: Sicherheit und Risiko, Vortrag
Samstag, 29. November, 19.15 Uhr Theater am Saumarkt

Menschen wie Gesellschaften pendeln zwischen Risiko und Sicherheit, ohne zur Ruhe zu kommen. Der Traum der Geborgenheit entpuppt sich, sobald er wahr wird, als Albtraum der Unfreiheit, zumindest einer unerträglichen Langeweile. Aber die riskanten Spiele der Abenteurer an den Finanzmärkten können die Gesellschaften auch nicht ertragen, nachdem in den zurückliegenden Monaten deutlich geworden ist, dass die Kapitaljongleure ihre Spielleidenschaft auf Kosten der Allgemeinheit ausleben. Das Vabanque der Könige und Generäle, die ihre Staaten durch Kriegsabenteurer politischen wie menschlichen Katastrophen ausgesetzt haben, ist heute durch das Vabanque der Finanzmanager abgelöst. Auch hier locken gewaltige Gewinne, freilich ohne die Kompensation der Ehre im Falle der Niederlage. Aber die sozialistischen Gesellschaften, die eine Alternative zu beidem sein wollten, sind vor längerem schon an innerer Schwäche zusammengebrochen. Was ist zu tun?

PODIUMSDISKUSSION: „Bürgerrechte und Sicherheitspolitik“
Samstag, 29. November, 19.15 Uhr Theater am Saumarkt

mit Peter Pilz, Michael Sika, Wolf-Dietrich Grussmann, Peer Stolle und Herfried Münkler
Moderation: Peter Huemer