Von der Freiheit, das Leben zu lassen - die Sterbehilfe in der Diskussion

Themenschwerpunkt Sterbehilfe
Mit Svenja Flaßpöhler, Matthias Kamann, Michael Willam, Mariella Scherling Elia

Impulsreferate, Diskussion & Ausstellung
Mittwoch, 04. November 2009, 19:30 Uhr
Theater am Saumarkt

Sterbehilfe-Organisationen wie Dignitas und Exit in der Schweiz, die Menschen die Möglichkeit bieten, unter Inanspruchnahme professioneller Begleitung ihrem Leben ein Ende zu setzen, haben immer größeren Zulauf. Während vor allem in Deutschland um die Legalisierung eines solchen selbstbestimmten Sterbens schon seit Jahren eine heftige Diskussion entbrannt ist, sind in Österreich die Stimmen für und wider eine institutionalisierte Form der Sterbehilfe merkbar leiser, obwohl eine wachsende Zahl von Menschen diesen „Weg über die Grenze“ bisher gegangen ist.

Worin besteht die Würde humanen Sterbens? Welche Überzeugungskraft hat die kirchliche Lehre vom Leben als Gottesgeschenk noch? Inwieweit trifft die Befürchtung zu, Sterbehilfe sei in einer zunehmend überalterten Gesellschaft der Weg vom Sterberecht zur Sterbepflicht?

Diese Fragen stehen im Zentrum dieser Tangentenveranstaltung mit der Kulturwissenschafterin Svenja Flaßpöhler, dem Journalisten Matthias Kamann und Michael Willam, Leiter des EhtikCenters der Katholischen Kirche.

 

Matthias Kamann: DAS LEBEN NACH DEM TOD – und der Tod im Leben

Was unsere neuen Vorstellungen von Jenseits und Diesseits für die Sterbehilfe bedeuten

Auf der Grundlage einer alternden Gesellschaft und neuer Bilder von Tod, Jenseits und Individualität stellt Matthias Kamann das individuelle Sterben in das Zentrum der Diskussion. Gegen alle »Dammbruch«-Warnungen und gegen alle Forderun­gen nach unbeschränkter Autonomie plädiert er für eine verantwortete Selbstbe­stimmung bei Patientenverfügungen und Suizid-Assistenz für Schwerstkranke.

 

Svenja Flaßpöhler: MEIN WILLE GESCHEHE. Sterben in Zeiten der Freitodhilfe

Anhand eigener Erfahrungen mit der Begleitung von sterbewilligen Menschen behandelt Senja Flaßpöhler folgenden Fragen: Was bringt Menschen dazu, sich bei seinem Suizid professionell helfen zu lassen? Wie erleben Angehörige einene solchen selbstgewählten Tod? Und wie ist es ethisch zu bewerten, dass Dritte den Suizid eines Menschen unterstützen?

 

Michael Willam: „Die Sterbehilfe aus Sicht der katholischen Kirche“

"Das Leben eines jeden einzelnen Menschen ist von der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle bis zu seinem natürlichen Tod von Gott gewollt und geheiligt und daher unbedingt zu schützen." In diesem Satz ist ausgedrückt, warum theologisch für Christen ein unbedingter Lebensschutz gegeben sein muss: Als Ebenbild, als „direktes Gegenüber“ seiner selbst (Gen.1, 27) schuf Gott den Menschen, welcher in diesem Sinne als „Krönung der Schöpfung“ über alle anderen geschaffenen Wesen hinausragt. Gott schenkt uns Menschen das Leben – und wir haben streng genommen nicht das Recht, dieses Geschenk zurückzuweisen. Hier geht es weniger um die Frage, ob wir Gott „beleidigen“, wenn wir unser Leben selbst beenden, sondern um die sozialethischen Konsequenzen. Das Verbot, unser eigenes Leben zu beenden, hat eine wichtige gesellschaftliche Funktion: Wir werden als Mitglieder einer Gemeinschaft davor bewahrt, uns die Frage zu stellen, ob unser Leben noch lebenswert ist oder nicht. Wir werden davor bewahrt, uns zu fragen, ob wir gar nur noch eine Belastung für die Pflegenden und die steuerzahlende Gesellschaft sind. Wir müssen unser Recht auf Leben nicht verteidigen oder mit Krankenversicherungen und zukünftigen Erben aushandeln. Das Verbot, uns selbst zu töten, zielt somit auch auf die Würde des Lebens vieler anderer Menschen, die sich womöglich in vergleichbaren Situationen befinden und sich ihr Leben nicht nehmen wollen...

 

Ausstellung

Mariella Scherling Elia: DAS LEBEN VERLÄNGERN ODER DAS STERBEN VERLÄNGERN?
Prolungare la vita o prolungare la morte?
25 Fotographien und 25 Zeichnungen, Briefe

Diese Arbeit entstand nach der Bekanntgabe der Causa Pier-Giorgio Welby, der seit seinem 18 Lebensjahr an fortschreitender Muskeldystrophie litt. Im September 2006 forderte er in einem offenen Brief (an den italienischen Staatspräsidenten Giorgio Napolitano) das Recht  auf selbstbestimmtes Sterben. Nach der Eröffnung einer politischen Debatte wurde vom zuständigen Gericht in Rom sein Antrag auf passive Sterbehilfe abgelehnt. Welby starb nach Verabreichung eines Betäubungsmittels durch seinen behandelnden Arzt. Ihm wurde eine kirchliche Bestattung verweigert.

Svenia Flaßpöhler, studierte Philosophie, Germanistik und Sport, heute journalistisch tätig u.a. für die FAZ, Die Welt, die Berliner Zeitung und Psychologie; im April 2007 erschien: “Mein Wille geschehe. Sterben in Zeiten der Freitodhilfe”.

Matthias Kamann, Studium der Germanistik und Volkskunde, Tätigkeit beim Hessischen Rundfunk, Redakteur der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, heute bei „Die Welt“ (Bereiche Politik, Bioethik, Evangelische Kirche); im September erschienen: „Todeskämpfe. Die Politik des Jenseits und der Streit um Sterbehilfe“.

Michael Willam ist Mitarbeiter beim Team Ethik der Diözese Feldkirch.

Mariella Scherling Elia ist in Kalabrien geboren und studierte Malerei an der Akademie für schöne Künste in Florenz. Die Künstlerin lebt und arbeitet in Hohenems.

Video: Ausschnitt aus Vorarlberg Heute zur Ausstellung von Mariella Scherling Elia