Manfred Prisching: Das Selbst, die Maske, der Bluff
Kennzeichen der Moderne ist die Individualisierung. Jedem wird aufgetragen, seine originelle, unverwechselbare, einzigartige Identität zu entwickeln. Dieses Gebot überfordert zwangsläufig die Menschen, auch wenn sie die Möglichkeit zu allen Freiheiten, die sich damit verbinden, nicht missen möchten.
Es ist eine anstrengende Ich-Bastelei. Jeder Einzelne ist dabei auf die Angebote der Gesellschaft angewiesen. Insbesondere glaubt er, sein Ich „kaufen“ zu können. Maßlosigkeit entsteht, weil Gefahren von Langeweile, Identitätszerfall und Einsamkeit drohen. Aber es handelt sich zwangsläufig auch um einen Mechanismus, der Enttäuschung produziert: weil die Erwartungen in eine Konsumwelt und die Erfahrungen in einer Alltagswelt auseinanderklaffen. Aber die Botschaft ist ohnehin übertrieben, dass jeder einzelne so einzigartig ist. Wirkungsvolle Mechanismen sorgen für die Anpassung der Menschen. Es ist nur ein halbierter Individualismus, eine Verbindung von geistiger Konformität und dekorativer Vielfalt.
Manfred Prisching, Dr. Univ. Prof. am Institut für Soziologie der Universität Graz; Korr. Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Zahlreiche Veröffentlichungen u.a. Die zweidimensionale Gesellschaft, Wiesbaden 2006; Bildungsideologien", Wiesbaden 2008; Herausgeber der Reihe „Sozialethik“ der Österreichischen Forschungsgemeinschaft beim Passagen Verlag; Zahlreiche Aufsätze über Wirtschaftstheorie, Politik- und Kultursoziologie, Wissenschaftssoziologie, sozialwissenschaftliche Theorie und Ideengeschichte.
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Vortrag von Manfred Prisching | 89.8 KB |